Mittwoch, 4. Mai 2011

Hollywood? Nein, Weißes Haus

Hollywood? Nein, Weißes Haus


Es sind Innenansichten eines Triumphs: Der Fotograf Pete Souza hat in kraftvollen Bildern dokumentiert, wie Barack Obama und sein Stab die Todeshatz auf Bin Laden verfolgen. Die Inszenierung soll den US-Präsidenten als Macher in Szene setzen - das haben schon seine Vorgänger bestens verstanden.


Wer wirklich hinter die Kulissen im Weißen Haus schauen will, darf nicht Berater sein, schon gar nicht Journalist, nicht einmal unbedingt Politiker. Er muss Fotograf sein.

"White House Photographer", so der offizielle Arbeitstitel, schießen Bilder für die Ewigkeit, nicht für die nächste Ausgabe. Sie sollen eine Präsidentschaft für die Ewigkeit inszenieren, sie arbeiten schließlich für den Präsidenten. Die Bilder von John F. Kennedy im Oval Office, beim Spiel mit seinen kleinen Kindern, vom strahlenden Ronald Reagan während eines Staatsbanketts, vom noch jugendlich wirkenden Bill Clinton im Rosengarten, sie wirken bis heute.


Im Gegenzug erhalten die Kamerakünstler fast unbegrenzten Zugang, sie sind oft noch im Raum, wenn der Präsident in ganz kleinem Kreis spricht. Ihren besten Fotografen vertrauen viele Präsidenten mehr als ihren Leibwächtern. Pete Souza heißt der aktuelle Chef-Fotograf von Barack Obama, er ist gebürtiger Portugiese und hat schon für Reagan gearbeitet. Über ihn ist sogar ein Dokumentarfilm erschienen, "The President's Photographer" heißt er.

Souza war auch dabei, als eine der geheimsten US-Militäraktionen aller Zeiten befohlen wurde, die Tötung Osama Bin Ladens. Das Weiße Haus hat - in perfekter Inszenierung des Sieges - seine Bilder nun online gestellt, eine kleine Auswahl zumindest. Und vor allem ein Bild: Souza hält den Moment fest, als noch nicht geklärt ist, ob der Einsatz der Navy Seals gegen Osama Bin Laden gelingt oder nicht. Als unklar ist, ob der kleine Kreis von Mächtigen im Situation Room des Weißen Hauses gerade den wohl größten Triumph von Obamas Amtszeit erlebt - oder Dutzende amerikanischer Elitesoldaten in den Tod schickt und so vielleicht auch die eigene politische Karriere ruiniert.

Im Nahkampf gegen einen Massenmörder

Als Souza auf den Auslöser drückt, sieht man Barack Obama leicht vornüber gebeugt sitzen, er starrt direkt auf einen Bildschirm, dort wird die dramatische Aktion wohl übertragen. "Wie ein Laser" sei sein Blick gewesen, schreibt die "New York Times" darüber. Vize-Präsident Joe Biden sitzt neben ihm, hemdsärmelig, nichts ist zu sehen von der Flapsigkeit, die ihm manchmal zu eigen ist. Gegenüber von den beiden Männern sind Verteidigungsminister Robert Gates und Außenministerin Hillary Clinton abgebildet, auch sie mit ernsten Gesichtern, Clinton hat ihre Hand vor den Mund gelegt, als könne sie die Spannung gar nicht mehr ertragen. Es ist dieselbe Clinton, die im Wahlkampf einst laut Zweifel anmeldete, ob Obama überhaupt in der Lage sei, eine gefährliche außenpolitische Situation zu handhaben.

Natürlich wollen Obamas Berater diese Bilder veröffentlichen, schließlich sind es nun die Aufnahmen eines Triumphs. Es zeigt, wie dramatisch der Einsatz verlief, wie viel Mumm es brauchte - es war ja keine ferne Drohne, die den Terrorfürsten tötete, es waren Soldaten im Nahkampf gegen einen Massenmörder.

Sie sollen auch belegen, wie involviert der Präsident selbst in der Planung der Aktion war, persönlich soll er neun Treffen im Oval Office dazu geleitet haben - und darauf bestanden haben, dass man die Anlage nicht einfach bombardiert, sondern Bin Laden direkt angreift.

US-amerikanische Präsidenten haben sich immer über Bilder definiert. Ronald Reagans Kommunikationschef plante dessen Tag so geschickt, dass es immer mindestens eine Gelegenheit für einen schönen Schnappschuss gab.

Im Internet-Zeitalter ist dies noch leichter geworden, die Berater im Weißen Haus müssen gar keine Abnehmer mehr finden. Es reicht ja, die Schnappschüsse online zu stellen. Obamas Team hat das schon oft getan, etwa auf der Internetplattform Flickr, auch mit den besten Aufnahmen aus dem triumphalen Wahlkampf. Obamas persönlicher Assistent hat stets wild geknipst, selbst diese Aufnahmen waren irgendwann zu sehen. So steuerten die Helfer geschickt selbst, wie sich ihr Chef ins Gedächtnis der Öffentlichkeit einbrennen sollte.

Lernen aus den Fehlern mit Saddam Hussein

Die Foto-Strategen überlegen aber auch, welche eher privaten Bilder aus dem innersten Kreis zur Veröffentlichung gedacht sind und welche nicht. Als die einstigen Rivalen Obama und Clinton sich nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform umarmten, waren die Aufnahmen davon sehr schnell öffentlich zu sehen.

Man kann diese Inszenierung journalistisch fragwürdig finden, schließlich drucken und verbreiten viele Medien so Bilder, die eigentlich im PR-Auftrag entstanden. Mitglieder des White House Press Corps, die ohnehin ihren Bedeutungsverlust im Internet-Zeitalter beklagen, murren zudem, dass sie manchmal bei Obama-Terminen draußen bleiben müssen. Sie können dann nur auf Souzas Bilder hoffen - die den Präsidenten garantiert nicht in schlechtem Licht zeigen.

Dennoch sind dessen gesammelte Aufnahmen auch eine erste Momentaufnahme geschichtlicher Ereignisse, aller Inszenierung zum Trotz. Und, immerhin, ein wenig stolz kann Amerika ja auch sein auf die Aufnahme der entschlossenen Obama-Krieger aus dem Situation Room des Weißen Hauses. Es zeigt eine Supermacht, die entschlossen handeln kann. Es zeigt nicht: den toten Terrorfürsten. Noch nicht jedenfalls.


Als die Regierung von George W. Bush den irakischen Diktator Saddam Hussein aufspürte, kursierten rasch Bilder vom verdreckten Hussein in einem Erdloch. Der große USA-Widersacher sollte noch einmal klein gemacht werden.

Es war ebenfalls ein amerikanischer Triumph über einen furchtbaren Diktator. Doch es wirkte auch ein wenig schäbig. Diesmal sehen wir Amerikas Stärke - ohne Demütigung.