Samstag, 26. März 2011

AKW Fukushima Sorgenfall Reaktor 3

AKW Fukushima Sorgenfall Reaktor 3

AFP/ MINISTRY OF LAND, INFRASTRUCTURE AND TOURISM VIA JIJI PRESS

Im japanischen Unglücks-AKW Fukushima wird immer deutlicher: Reaktor 3 ist das gefährlichste Problem. Möglicherweise ist der Druckbehälter beschädigt - und ausgerechnet in diesem Meiler wird neben Uran auch das hochgiftige Plutonium verwendet.

Reaktordruckbehälter im Block 3 der havarierten Atomanlage Fukushima I ist nach Angaben der Betreiberfirma Tepco möglicherweise beschädigt", meldete die Nachrichtenagentur AFP. Eine Beschädigung sei "möglich", sagte ein Tepco-Sprecher. In Reaktor 3 befinden sich - anders als in den anderen fünf Reaktoren des Kraftwerks Fukushima I - sogenannte Mischoxid-Brennstäbe. Sie enthalten neben Uran auch Plutonium, ein hochradioaktives, extrem giftiges Schwermetall.

Um 9.35 Uhr aber meldete die Agentur Reuters: "Für Block 3 gibt es nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde keine Hinweise auf ein Auseinanderbrechen des Reaktors." Später, um 11.06 Uhr, legt Reuters nach: Risse im Container von Reaktor 3 und den Druckbehältern seien unwahrscheinlich.


Zwei Quellen, zwei Aussagen. Ist der Reaktordruckbehälter nun beschädigt oder nicht? Falls ja, wie schwer? Und welche Auswirkungen hat das - für die Arbeiter vor Ort, für die Reparaturen an den anderen Reaktoren, für die gesamte Anlage, für die Umwelt, für die japanische Bevölkerung und möglicherweise den Rest der Welt?

Es gibt immer noch keine Klarheit

Zwei Wochen sind nach dem verheerenden Erdbeben in Japan und dem Beginn des Reaktorunfalls vergangen. Klarheit über den tatsächlichen Zustand der Anlage gibt es bisher nicht. Auf unzähligen Kanälen laufen Informationsschnipsel ein. Sie alle geben einen kurzen und lokal begrenzten Ist-Zustand wieder - manchmal richtig, manchmal falsch. Einen Überblick zu gewinnen oder daraus gar mögliche Folgen abzuleiten, ist äußerst schwierig.

Die Frage, ob das Kernkraftwerk überhaupt noch unter Kontrolle zu bringen ist, bleibt von den meisten Experten unbeantwortet. Die Lage in Fukushima I, so fasst es der japanische Premierminister Naoto Kan zusammen, sei auch zwei Wochen nach dem Beben noch immer "äußerst unvorhersehbar".

Unvorhersehbar ist auch, welche Gesundheitsschäden die Arbeiter vor Ort davontragen. Drei von ihnen bekamen am Freitag beim Kabellegen im Maschinenhaus bei Block 3 Strahlungsdosen von mehr als 170 Millisievert ab. Zwei erlitten sogar eine Kontamination der Haut an den Beinen und dadurch Verbrennungen. Jetzt forderte die Atomaufsichtsbehörde die Betreiberfirma Tepco auf, die Sicherheitsbedingungen für die in der Anlage arbeitenden Techniker zu verbessern. Eine Untersuchung solle klären, warum die drei Mitarbeiter verstrahlt wurden.

Die Lage im Reaktorblock 3 ist auch deshalb besonders beunruhigend, weil dort seit einigen Monaten nicht nur Uran-, sondern auch Mox-Brennelemente eingesetzt werden. Derartige Brennstäbe sind weltweit in vielen Druckwasser- und Siedewasserreaktoren im Einsatz. Auch in Deutschland wurden bis 2008 insgesamt neun AKW teilweise mit Mox-Elementen betrieben. Sie bergen aber ein größeres Risiko, denn sie haben einen höheren Anteil an Plutonium 239.

Die Inhalation von 40 Milliardstelgramm Plutonium 239 genügt, um eine akute Strahlenbelastung von 15 Sievert im Körper zu verursachen. Dann kommt es zu einer schweren Strahlenkrankheit (siehe Kasten links), die innerhalb weniger Tage tödlich endet. Zudem ist Plutonium 239 ein hochgiftiges Schwermetall, das sich in Knochen festsetzen kann, und eines, das erst nach 24.110 Jahren zur Hälfte zerfallen ist.


Eine Beschädigung ist "möglich"

Eine größere Freisetzung von Plutonium in die Umwelt wäre deshalb "äußerst bedenklich", wie Joachim Knebel, Reaktorexperte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), bereits vor einigen Tagen sagte. Ob Plutonium 239 aus Reaktor 3 freigesetzt werden kann oder nicht, ist derzeit nicht klar. Das hängt vor allem davon ab, wie stark der Reaktordruckbehälter sowie der Sicherheitsbehälter in Mitleidenschaft gezogen wurden.


Das heißt, die Strahlung des Plutoniums reicht in der Luft nur einige Zentimeter weit und wird zum Beispiel schon von einem Blatt Papier oder von Stoffhandschuhen vollständig zurückgehalten. Ist es allerdings erst einmal im Körper, kann die Alphastrahlung schwere Schäden an den Organen anrichten.

Unklar ist auch, wie viel Plutonium derzeit noch in den Brennelementen von Reaktor 3 steckt. Neue Mox-Brennstäbe enthalten üblicherweise drei bis sechs Prozent Plutonium. Der Anteil sinkt jedoch mit der Dauer der Benutzung. Je höher der Anteil noch ist, desto höher ist die Gefahr, dass plötzlich wieder eine Kettenreaktion eintritt.


Nach Angaben der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums Informationen zur Lage aller Reaktoren in Fukushima I sammelt und bewertet, wird Reaktor 3 derzeit auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) auf Stufe 5 eingeordnet, das heißt, es handelt sich um einen "schweren Unfall". Die höchste Stufe 7 entspricht einem "katastrophalen Unfall", wie es in Tschernobyl der Fall war. Die Atombehörde schloss indes nicht aus, die Schwere der Vorfälle in Fukushima von Stufe 5 auf Stufe 6 heraufzusetzen.

Der GRS zufolge sind Reaktorkern und Brennstäbe von Reaktor 3 beschädigt, eine geringe Kernschmelze könnte möglicherweise schon stattgefunden haben. Zudem liegen die Brennstäbe teilweise oder ganz frei - "weit entfernt" vom Reaktor seien stark erhöhte Konzentrationen radioaktiver Substanzen gemessen worden, sagte ein Sprecher der japanischen Atomsicherheitsbehörde. Der Sicherheitsbehälter des Reaktors könne jedoch nach den vorliegenden Messdaten noch "auf einem gewissen Niveau" funktionieren. Und genau davon hängt es ab, wie es in Reaktor 3 in den kommenden Tagen und Wochen weitergehen wird.