Montag, 7. März 2011

Röttgens Super-Pleite

Röttgens Super-Pleite

Röttgen mit Kanzlerin Merkel: Vom Kronprinz zum Problemminister?


Umweltminister Röttgen wähnte sich schon als Kronprinz der Kanzlerin - und jetzt dieser Ärger mit dem Biosprit. Das E10-Debakel könnte die Karriere des nordrhein-westfälischen CDU-Hoffnungsträgers ernsthaft gefährden. Er muss nun schleunigst die Wut der deutschen Autofahrer besänftigen.

Berlin - Norbert Röttgen geht es nicht anders als Millionen deutscher Autofahrer: Den Umweltminister nervt der Biosprit. Mächtig sogar. Nur dass er nicht ratlos an der Tankstelle steht und um die Spritverträglichkeit seines Autos fürchtet. Nein, Röttgen ist der Mann, der den Ärger um "Super E10" voll abkriegt. Weil er die Sprit-Probleme unterschätzt hat.

Man könnte auch sagen: Weil Röttgen die Sache nicht im Griff hat.


Gut vorstellbar, dass seine Gedanken derzeit fern von Ethanol, Weizen, Mais und Zuckerrüben sind. Denn in Nordrhein-Westfalen könnten schon bald Neuwahlen anstehen, Röttgen hat sich im vergangenen Jahr den Vorsitz der Landes-CDU erkämpft. Er würde als Spitzenkandidat in die Wahl ziehen - und könnte Ministerpräsident werden. Zudem ist er nach dem Absturz von CSU-Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg plötzlich wieder in die Reihe der Kronprinzen der Kanzlerin vorgerückt.

Und nun dieses Sprit-Kleinklein. Die Opposition lästert schon. Wo eigentlich Röttgen sei, fragt Grünen-Chef Cem Özdemir: "Vielleicht sollte ihn jemand aus dem Tiefschlaf wecken und ihm sagen, dass die Winterzeit vorbei ist."

Pikant für Röttgen: Das Problem ist nicht neu. Schon seit Jahren ringt die Politik mit Mineralölwirtschaft und Autoherstellern um die Einführung eines zehn- statt bisher fünfprozentigen Anteils von Bio-Ethanol im Super-Benzin. SPD-Chef Sigmar Gabriel, Röttgens Vorgänger im Amt, gab vor zwei Jahren klein bei, stoppte die Pläne zur Einführung von E10.

Den Röttgen-Leuten das Thema weggeschnappt

Doch Röttgen ließ die Sache weiterlaufen. Nun ist er von der Meuterei der Deutschen an den Zapfsäulen kalt erwischt worden. Bereits in der vergangenen Woche war seinen Mitarbeitern im Ministerium klar, dass sich da etwas zusammenbraut. Sie begannen mit der Planung eines Benzingipfels, der alle Beteiligten an einen Tisch bringen sollte.

Im Wirtschaftsministerium von Rainer Brüderle (FDP) hatten sie offenbar denselben Gedanken. Nur waren sie schneller. "Die haben das den Röttgen-Leuten weggeschnappt", heißt es in Regierungskreisen.

Brüderle preschte vor, Röttgen ist sauer. Bis zuletzt war sogar unklar, ob der Umweltminister überhaupt an Brüderles Benzingipfel am Dienstag teilnehmen würde. Am Montagmorgen machte zudem die Nachricht die Runde, dass Röttgen noch im Skiurlaub weile.

Kein gutes Bild, das der CDU-Mann da abgab.

Schnell war dann klar, dass Röttgen selbstverständlich am Benzingipfel teilnimmt. Mit Wirtschaftsminister Brüderle, Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) und Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wird er Vertretern der Wirtschaft sowie Verbraucherorganisationen gegenübersitzen. Darunter die Autoclubs ADAC und AvD, Verbände der Mineralölwirtschaft, die Bioethanol-Branche, der Bauernverband und die Verbraucherzentralen.

Doch Wegweisendes ist vom Gipfel nicht zu erwarten, die Fronten scheinen verhärtet. So hält Röttgen eisern am Bio-Sprit fest: "Fast alle Autos vertragen das neue Benzin." Nur keine Panik. Seine Sprecherin verdeutlichte am Montag, dass der Gipfel dazu diene, "das Vertrauen der Verbraucher in die Einführung von E10 zu stärken". Es wäre verführt, "jetzt schon von Rücknahme oder Scheitern zu sprechen".

Der Gipfel als hochkarätig besetze Werbeveranstaltung.

Im Hintergrund aber läuft das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Politik und Wirtschaft längst auf Hochtouren. "Wir müssen die Vorgaben der Politik gegen den Wunsch der breiten Bevölkerung umsetzen", sagt Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Mineralölwirtschaft. Der Gesetzgeber hat die Ölbranche verpflichtet, 6,25 Prozent ihres Kraftstoffes - gemessen am Energiegehalt - aus pflanzlicher Produktion zu verkaufen. Im anderen Falle drohen Strafzahlungen. Die Konzerne haben bereits angedeutet, dass sie diese dann auf den Spritpreis aufschlagen würden.

Warum wirbt die Branche nicht entschiedener für E10?

Diese "Drohung" sei "nicht hinnehmbar", entgegnet Röttgens Sprecherin. Es sei die Aufgabe der Mineralölwirtschaft, ihr neues Produkt ordentlich zu bewerben. "Der Verbraucher muss kein E10 tanken", sagte sie. "Aber er tankt schon seit Jahren E5. Von daher ist es eigentlich unverständlich, warum man ihn nicht davon überzeugen können sollte, fünf Prozent mehr Beimischung auch als sinnvoll zu erachten." Tatsächlich stellen sich viele vom neuen Sprit überraschte Autofahrer an den Tankstellen mittlerweile die Frage: Warum eigentlich haben die Konzerne die Biokraftstoffe nicht genauso beworben wie andere neu eingeführte Produkte in der Vergangenheit?

Der ADAC mischt auch mit: Die Mineralölwirtschaft habe kaum oder keinen gleichwertigen Alternativkraftstoff für Autofahrer bereitgehalten. "Das heißt, der Verbraucher konnte, wenn er verunsichert war, eigentlich nur auf Super Plus umsteigen", sagte der Leiter des ADAC-Technikzentrums, Reinhard Kolke, im ZDF. Und bei dieser Benzinsorte gibt es nun Engpässe.

Die Leute an den Zapfsäulen verunsichert, Politik und Wirtschaft im Streit. Doch das war's noch lange nicht.


 Denn mittlerweile treibt Röttgens Augen-zu-und-durch-Taktik auch den Koalitionspartner auf die Barrikaden. Die FDP fordert, die Einführung von E10 vorerst zu stoppen: "Wir werden der Verunsicherung bei den Verbrauchern sicher nicht dadurch beikommen, indem wir einfach das Kommando 'Weiter so' ausgeben", sagte FDP-Fraktionsvize Patrick Döring. Um die Verunsicherung bei Autobesitzern zu begrenzen, hätte Röttgen von Anfang an "stärker führen müssen", so Döring. Stattdessen habe der Minister "die Sache einfach laufen lassen".


Und noch einen setzt der FDP-Mann drauf: Es sei bezeichnend, dass Wirtschaftsminister Brüderle den Benzingipfel einberufen habe, "während der eigentlich zuständige Umweltminister einfach nur Durchhalteparolen" ausgebe. FDP-Generalsekretär Christian Lindner meinte, E10 müsse auf den Prüfstand: "Wenn nötig, muss die ganze Biosprit-Strategie und insbesondere ihr Zeitplan überdacht werden", sagte er der "Rheinischen Post"

Für die Opposition kommt der Ärger zum rechten Zeitpunkt. "Das wird Schwarz-Gelb bei der Wahl in Baden-Württemberg zusetzen wie uns damals der ganze Dosenpfand-Ärger", prognostiziert ein Sozialdemokrat.