Sonntag, 6. März 2011

Wachsende Zustimmung für vorläufigen E10-Stopp

Wachsende Zustimmung für vorläufigen E10-Stopp

Vor dem „Benzin-Gipfel“ ist die Verwirrung groß. Bundeswirtschaftsminister Brüderle gibt der Industrie die Schuld für das Chaos um den E10-Treibstoff. Immer mehr Politiker sprechen sich für einen – zumindest vorläufigen – Stopp des Biosprits aus.

Den Griff zur E10-Zapfsäule meiden noch viele Autofahrer


Wegen mangelnder Informationen seien die Autofahrer verunsichert worden, sagte Rainer Brüderle (FDP) am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Ja, zunächst mal ist es Aufgabe der Mineralölwirtschaft, die Kunden zu informieren über das, was sie verkaufen.“ Die Fahrzeughersteller müssten wiederum klare Auskunft geben, ob ihre Motoren für den neuen Kraftstoff geeignet seien.

Für Brüderle ist die fehlende Information das „Kernproblem“ der mangelnden Akzeptanz von E10. „Die Verbraucher müssen überzeugt sein, dass das für ihr Fahrzeug der richtige Treibstoff ist, sonst werden sie es nicht kaufen. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir mit E10 keinen Erfolg haben.“

Brüderle stellte in Aussicht, dass der von ihm am Dienstag einberufene Benzingipfel beschließen könnte, dass Autofahrer, deren Fahrzeug nicht E10-geeignet ist, vom Kraftfahrzeugbundesamt informiert werden: „Das ist eine Möglichkeit, über die wir am Dienstag reden müssen, dass man so vielleicht am schnellsten die betroffenen Autohalter, die Fahrzeuge haben, die gefährdet wären, informieren kann.“

Brüderles Parteifreund für vorläufigen Stopp
Der FDP-Verkehrsexperte im Bundestag, Patrick Döring, sprach sich dafür aus, die Einführung des Biokraftstoffs E10 kurzfristig zu stoppen und um einige Monate zu verschieben. „Die Verbraucher müssen zunächst Klarheit und Sicherheit bekommen“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Montagausgabe). Dann würden sie neuen Kraftstoff auch kaufen. „Auf ein paar Monate mehr oder weniger“, sagte Döring, käme es beim Verkaufsstart von E10 nicht an.


Döring wies Industrie und Politik die Schuld für die Verunsicherung gleichermaßen zu. Die Fahrzeughersteller forderte er zu „rechtsverbindlichen“ Aussagen über die Verträglichkeit des neuen Kraftstoffes für ihre Fahrzeuge auf. Die Bundesregierung müsse die Verbraucher besser über die ökologischen Folgen des E10 informieren.

Biosprit E10: Chaos an den Zapfsäulen


Der Sprit ist zu zehn Prozent mit Ethanol aus Weizen, Zuckerrüben und Mais versetzt, weshalb er als umweltfreundlicher gilt. Die Regierung will Deutschland außerdem unabhängiger vom Öl machen. Inzwischen wachsen allerdings Zweifel an den Vorteilen. Vielen ist außerdem ein Dorn im Auge, dass Nahrungsmittel verbrannt werden. Das könnte zu einer Verteuerung von Lebensmitteln führen – abgesehen von ethischen Bedenken.

Ein vorläufiges Aus fordern auch die Grünen. Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann, sagte der „Welt am Sonntag“, es müsse zunächst geklärt werden, welche Motoren den Sprit wirklich vertragen und worin der ökologische Nutzen bestehe. Den Autofahrern sei die Verunsicherung nicht länger zuzumuten.

Verträglichkeitsbedenken werden zurückgewiesen
Die Verunsicherung steigt, zumal sich auch Fachleute nicht über die technischen Auswirkungen von E10 einige sind. So äußerte der Leiter der BMW-Mechanikentwicklung, Thomas Brüner, den Verdacht, dass Motoren durch E10 stärker als bisher bekannt in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. „Das Wasser kondensiert aus den Verbrennungsgasen und gelangt ins Öl, das dadurch verdünnt wird und schneller altert.“ Daher könne es sein, dass Ölwechselintervalle verkürzt werden müssten.

Ein BMW-Sprecher betonte dagegen, an der grundsätzlichen Einschätzung habe sich nichts geändert. „In allen BMW-Pkw-Modellen sämtlicher Baujahre ist der unbedenkliche Einsatz von E10 Kraftstoffen möglich“, heißt es in einem Informationsschreiben. Ein Daimler-Sprecher sagte, es gebe keine Erkenntnisse, dass Wagen des Stuttgarter Herstellers wegen des neuen Kraftstoffs häufiger zum Ölwechsel müssten oder andere Probleme hätten. 95 Prozent der Daimler-Autos, die jünger als 25 Jahre sind, schafften es „locker“, mit dem E10-Benzin klarzukommen.

Scheitert E10, könnte die Quote im laufenden Jahr nach Ansicht von Experten kaum erfüllt werden – dann drohen Strafzahlungen, die die Benzinbranche als versteckte Steuererhöhungen auf die Spritpreise aufschlagen könnte. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht außerdem die Gefahr, dass Deutschland auch angesichts des Hinterherhinkens bei der Elektromobilität zum Schlusslicht in Sachen Umweltfreundlichkeit im Verkehr werden könnte. Er sprach von einem drohenden „Gau für die Bundesregierung“. Denn bereits 2009 sollte E10 in Deutschland angeboten werden. Kurz vor Ende der Vorbereitungen stoppte der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) die Einführung – auch damals gab es vor allem Verträglichkeitsbedenken.