Mittwoch, 30. März 2011

Friedrichs Fehlstart

Friedrichs Fehlstart

CSU-Minister Friedrich: "Mit Unerfahrenheit geglänzt"

Muslimische Teilnehmer sind empört über die neue Linie, die Innenminister Hans-Peter Friedrich der Islamkonferenz verpasst hat, die Opposition ruft zum Boykott auf. Der CSU-Politiker droht zum Gefangenen seines eigenen Kalküls zu werden. 

Berlin - Auf der Agenda von Innenminister Hans-Peter Friedrich stehen Aufgaben wie die innere Sicherheit, die Bekämpfung von Extremismus.

Aber nur wenige Wochen nach seinem Antritt überlagert ein anderes Thema die öffentliche Wahrnehmung des CSU-Politikers. Nach seiner Äußerung, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre,


erntet der neue Minister bereits zum zweiten Mal Empörung. Die Islamkonferenz am Dienstag, die seinen Vorgängern vor allem schöne Bilder bescherte, geriet zum Fehlstart für Friedrichs Amtszeit.Es hagelt Kritik: Er fördere mit seinem Plan nach einer Sicherheitspartnerschaft zwischen Muslimen und Staat "eine sehr bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter den Muslimen", wütet die Islamwissenschaftlerin Omerika. Die SPD-Politikerin Aydan Özoguz, deren Partei in der großen Koalition maßgeblich an dem Projekt beteiligt war, fordert die muslimischen Teilnehmer am Mittwoch auf, die Konferenz künftig zu boykottieren. Friedrich sei eine "absolute Fehlbesetzung".

"Es hinterlässt Fragezeichen, wenn die in der Konferenz vertretenen Muslime offener für andere Religionen wirken als der amtierende Innenminister", so Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, die Islamkonferenz müsse zur Chefsache werden und im Kanzleramt angesiedelt werden. Friedrich sei dabei, die Islamkonferenz "mit Karacho in den Sand zu setzen", so Grünen-Chef Cem Özdemir.

Aufregung überall - dabei ist Friedrichs neue Linie Parteikalkül. Das Feld Integration und Islam ist für die CSU ein Schlüssel, um weiter konservative Wählerschichten und Stammwähler an sich zu binden. Parteichef Horst Seehofer wettert gegen Zuwanderung aus "anderen Kulturkreisen", Bayerns Sozial- und Integrationsministerin Christine Haderthauer (CSU) fordert mehr Härte gegenüber Migranten. Die CSU schwingt die Sarrazin-Keule.

Der Oberfranke Friedrich gilt in seiner eigenen Partei als Liberaler - aber als Innenminister fühlt er sich der CSU und ihren Wählern verpflichtet. Friedrich setzt auf die Zustimmung der Millionen, weniger auf die von 16 muslimischen Teilnehmern auf der Islamkonferenz.

Aber der CSU-Mann hat offenkundig die Schärfe der Reaktionen unterschätzt. Wenn es bislang auf der Islamkonferenz Streit gab, dann vor allem zwischen den konservativen muslimischen Verbänden und dem Staat. Jetzt haben sich die muslimischen Einzelpersonen beinahe geschlossen in einer Erklärung gegen Friedrich gestellt.

Friedrich reagierte verunsichert. Er ist ist kein Haudrauf-Typ. Die muslimischen Teilnehmer fühlen sich in der deutschen Gesellschaft ohnehin häufig ausgegrenzt und benachteiligt - da erwarten sie vom neuen Innenminister mehr positive Ansprache, weniger unklares Taktieren.

 Was genau wird ihm vorgeworfen? Zum Beispiel habe Friedrich seine Äußerung, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre, auf der Sitzung von sich aus nicht angesprochen - viele Teilnehmer seien deshalb fassungslos gewesen. "Sie starrten ihn ungläubig an", sagt der ägyptisch-stämmige Politologe Hamed Abdel-Samad, selbst Mitglied auf der Islamkonferenz. "Friedrich ging mit weniger Elan und Begeisterung in die Konferenz, als noch sein Vorgänger Thomas de Maizière, so Abdel-Samad zuu SPIEGEL ONLINE. "Friedrich hat mit Unerfahrenheit geglänzt", sagt Kenan Kolat, Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Wütend sind viele auch deshalb, weil Friedrich seinen Plan von einer Sicherheitspartnerschaft vorab in der Presse verbreitete - Teilnehmer fühlten sich überrumpelt.


Einen Tag nach dem Eklat aber sind auch versöhnliche Stimmen zu hören - viele fürchten nämlich, dass die Konferenz endgültig scheitert. "Es ist im Interesse der Muslime, dass es dieses Dialogforum gibt", sagt Abdel-Samad: Die Islamkonferenz sei ein einzigartiges Kommunikationsforum in Deutschland. "Wo sonst sitzen liberale und konservative Muslime, Sunniten und Aleviten an einem Tisch? Die Muslime selbst haben es jedenfalls nicht geschafft, so einen Austausch zu organisieren." Die Boykottforderung der SPD sei deshalb fahrlässig.

Es diene nicht der Sache nach jeder heftigen Debatte zum Boykott aufzurufen, sagt Konferenz-Teilnahmer Ali Ertan Toprak von der liberalen Alevitischen Gemeinde der Nachrichtenagentur dapd. Ohnehin könnten die muslimischen Verbände sehr wohl für sich selbst eintreten, sagte er. "Es ärgert mich, dass SPD und Grüne immer meinen, sie müssten in unserem Namen sprechen." Toprak ist selbst Mitglied der Grünen.