Mittwoch, 30. März 2011

Titelgelüste, Puppen und Bedenken

Titelgelüste, Puppen und Bedenken

Bundestrainerin Silvia Neid

Selbstbewusst geht das DFB-Team die Titelverteidigung bei der Heim-WM an. Sportlich gut gerüstet, dämpft nur der übermächtige Schatten des Sommermärchens der Herren die Euphorie.

17. Juli 2011, Commerzbank-Arena: Spielführerin Birgit Prinz reckt unter dem Jubel von knapp 50 000 Fans freudestrahlend die Trophäe der Frauen Fußball WM in den lauwarmen Frankfurter Nachthimmel. DFB-Präsident Theo Zwanziger herzt Bundestrainerin Silvia Neid, bedankt sich für tolle Spiele und feiert mit Torhüterin Nadine Angerer, Kerstin Gareferkes und Co. den dritten schwarz-rot-goldenen WM-Titel in Serie. Der Prosecco fließt in Strömen, jede WM-Amazone wird künftig als Barbie-Puppe vertrieben. Die Massen singen und tanzen auf der Straße. Das Motto „20Elf von seiner schönsten Seite!“ ist soeben Realität geworden.

Soweit der Plan. Der ist zwar ambitioniert, aber keineswegs unrealistisch. Denn alles andere als die Titelverteidigung als Ziel der ersten Heim-WM auszugeben, wäre Understatement. Immerhin schickt die Welttrainerin des Jahres 2010, Silvia Neid, die „Mannschaft des Jahres“ 2010 ins Rennen. „Wir“ sind amtierender Europameister. Der Triumph in Norwegen 2009 war dabei der fünfte EM-Titel in Folge. „Wir“ sind auch amtierender Weltmeister – und zwar durchgehend seit 2003. Vor vier Jahren in China kassierten die deutschen Mädels weder ein Gegentor noch eine Niederlage. Mit Mittelstürmerin Prinz haben wir neben der Brasilianerin Marta die beste Fußballerin auf Erden in den eigenen Reihen. Auf den Punkt brachte es Erfolgstrainerin Neid: „Wir sind der Favorit.“

Frauen sorgen für Titel, Männer für Stimmung

Trotz des höchstmöglichen eigenen Anspruchs möchte Team Deutschland aber ohne besonderen Druck ab 26. Juni ins Turnier gehen und dort „Spaß haben“ (Neid). Apropos Spaß: Großes Vorbild ist da natürlich die Heim-WM der Männer 2006, die als Sommermärchen in die Fußball-Geschichte einging (obwohl sportlich lediglich der dritte Rang heraussprang). Mit Freude im Herzen erinnert man sich hierzulande an diesen genialen Sommer mit ausgelassener Partystimmung beim Public Viewing, deutschen Flaggen, viel Sonne und der Welt zu Gast bei Freunden.

Genau hier tritt ausgerechnet Frauenfußball-Fan Zwanziger auf die Euphorie-Bremse: „Keiner darf am Ende enttäuscht sein, wenn nicht erneut Tausende von Besuchern auf die Public-Viewing-Plätze wie zum Beispiel am Brandenburger Tor strömen“, warnte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Die geringere Anzahl an Teilnehmern und Spielstätten und die vermutlich ausbleibenden Fan-Stimmungskanonen aus England oder den Niederlanden sieht Zwanziger problematisch. Neben dem WM-Titel wünscht sich Zwanziger vor allem volle Stadien und „Respekt und Anerkennung für die Leistungsfähigkeit der Frauen.“ Organisationskomitee-Präsidentin Steffi Jones erhofft sich einen Quantensprung für den Frauenfußball.

Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), jetzt Verteidigungsminister, gelobte im Vorfeld, dass es von ihm keinerlei Witze mehr über Frauenfußball geben werde. Ein erster Schritt zu einem besseren Image der Sportart ist also schon gemacht. Den konservativen Rest der Fußballszene kann die deutsche Nationalelf vielleicht durch Leistung noch überzeugen. Stark genug sollte der Kader dafür sein.

Legenden und Newcomerinnen

Angeführt von Galionsfigur Prinz, die bereits ihre fünfte WM spielt, den Veteranen Ariane Hingst, Kerstin Garefrekes und Inka Grings hat Bundestrainerin Neid eine schlagkräftige Truppe nominiert, in der vermutlich auch einige Newcomerinnen aus dem U20-Weltmeisterteam ihre Chance erhalten werden.

Bis zum Eröffnungsspiel in Berlin mutet sich die DFB-Auswahl noch ein gut gefülltes Programm zu. Nach sieben mehrtägigen Lehrgängen und vier Testspielen (gegen Nordkorea, Italien, Holland und Norwegen) wird noch einmal ausgesiebt. Neids schwierige Aufgabe: Aus 26 starken Spielerinnen fünf streichen. Am 21. Juni versammeln sich die Weltmeisterinnen dann in der Hauptstadt zur Mission Titelverteidigung. Die Vorrundengegner lauten Kanada, Nigeria und Frankreich. Das Traumfinale wäre Deutschland gegen Brasilien. Der Phantasie sind ja bekanntlich keine Grenzen gesetzt.

Gedanklicher Flug in die Zukunft
2015, WM-Finale in Kanada: Spielführerin Dzsenifer Marozsan reckt den Pokal in die lauwarme Nacht. Der Rekordweltmeister von Bundestrainerin Birgit Prinz hat zum vierten Mal in Serie den Titel …